Aufgewachsen in Berlin, studierte Bastian Muhr von 2004 bis 2010 Malerei und Grafik an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB). Anschließend absolvierte er das Meisterschülerstudium bei Annette Schröter, das er 2013 mit dem Meisterschülertitel abschloss. Vom Wintersemester 2013/2014 bis zum Sommersemester 2015 war Bastian Muhr als künstlerischer Mitarbeiter in der Klasse von Ingo Meller an der HGB Leipzig tätig,[1] außerdem von 2017 bis 2019 als künstlerischer Mitarbeiter in der Klasse von Michael Riedel. 2019 hatte er den Theodore Randall International Chair in Painting an der Alfred University, New York inne. Er lebt und arbeitet in Leipzig.
Muhrs Werk umfasst die Gattungen Malerei und Zeichnung, die er gleichwertig nebeneinander ausführt. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit formalen Fragestellungen an das gezeichnete Bild. Im Vordergrund stehen dabei die Genese von Bildern aus konzeptionellen, systematischen und repetitiven Arbeitsprozessen sowie eine starke Reduktion des Bildgegenstandes. Meistens entstehen über längere Zeiträume größere Werkserien, die sich trotz vieler Bezugspunkte grundlegend von anderen zuvor abgeschlossenen Serien unterscheiden.
In einer 2011 begonnenen Serie steigert der Künstler stetig die Komplexität der Zeichnung. Seine abstrakt gehaltenen, kleinteiligen Arbeiten zeichnen sich aus durch ein Zusammenspiel aus System und Zufall, was sich dem Rezipienten erst bei längerer Betrachtung erschließt. Konstrukte aus geometrischen Formen füllen die Oberflächen bis ein vollständiges Raster entsteht.[2] Je nach Distanz zum Bild wechselt die Wahrnehmung zwischen homogener Flächigkeit, raumgreifender Dreidimensionalität und feingliedriger Struktur. Die kontrolliert gesetzten Striche machen den Arbeitsvorgang des Künstlers deutlich und führen zu einer Reflexion der Methodiken und Schaffensprozesse sowie einer Auseinandersetzung mit den räumlichen und zeitlichen Gegebenheiten.[3]
Diese Arbeiten haben keine vorgegebene Leserichtung. Idealerweise werden sie in Vitrinen liegend präsentiert, sodass Betrachter sie umgehen können und sich ihren eigenen Standpunkt wählen. Die Blätter werden so zu Objekten im Raum, das Motiv changiert zwischen Muster und Komposition.[4]
Ab 2015 hat sich aus einer Reihe von Vorzeichnungen in der Malerei eigene Figurensprache entwickelt. Eine gewisse Motivik lässt sich hier erahnen, jedoch niemals wirklich bestimmen. „Als farbige Piktogramme seiner Weltwahrnehmung bewegt sich seine Malerei im Spannungsfeld von Symbol und Abstraktion.“[5] Der Arbeitsprozess wird dabei nachvollziehbar. Korrekturen und Arbeitsspuren werden bewusst nicht kaschiert und evozieren ein Nachdenken über Material und Farbe.
Aus den kleinformatigen Vorzeichnungen für die Malerei ist auch eine eigene Zeichnungsreihe entstanden. Hier bearbeitet der Künstler die Blätter, bis sie vollkommen mit Bleistiftstrichen gefüllt sind und die ursprünglichen Linien nur noch im Negativ erscheinen.
Ein weiteres Interesse gilt dem Werkstoff Glas. Im Zuge der Initiative Lichtungen – zeitgenössische Glasmalerei in anhaltischen Kirchen hat Bastian Muhr die Fenster der romanischen Kirche in Altjessnitz (Sachsen-Anhalt) neu gestaltet.[6]
An verschiedensten Orten sind zudem große ortsspezifische Zeichnungen entstanden, die jeweils nur temporär zu sehen waren. Die sehr zeitaufwändigen Arbeiten, aus ephemeren Materialien gefertigt, wirken in besonderer Weise mit ihrem Umfeld zusammen und regen zu Reflexionen über Raum und Zeit an. Hier geht es um die Übertragung der Zeichnung in den architektonischen Raum, um so eine Raumerfahrung grundlegend zu verändern. Arbeiten dieser Art wurden unter anderem im Museum Wiesbaden (2016), im Museum der bildenden Künste Leipzig (2018), in der Kunsthalle Göppingen (2019) sowie im öffentlich zugänglichen Skulpturengarten der Stadt Leipzig (2021) realisiert.
Bastian Muhr: SHED, Ausstellungskatalog Kunstverein Göppingen, Göppingen 2020, ISBN 978-3-947317-12-7.
Jetzt! Junge Malerei in Deutschland, Ausstellungskatalog Kunstmuseum Bonn u. a., München 2019, ISBN 978-3-7774-3419-3.
In Bester Gesellschaft - Ausgewählte Erwerbungen des Berliner Kupferstichkabinetts 2009–2019, Ausstellungskatalog Staatliche Museen zu Berlin, Berlin 2019, ISBN 978-3-88609-823-1.
Kante. Ausstellungskatalog Museum der bildenden Künste, Leipzig 2018, ISBN 978-3-86060-038-2.
Über das Geistige in der Kunst, 100 Jahre nach Kandinsky und Malewitsch, Ausstellungskatalog Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst München, Museum für konkrete Kunst Ingolstadt, Wien 2018, ISBN 978-3-932322-50-1.
Follow the Line, Ausstellungskatalog Kunsthalle der Sparkasse, Leipzig 2018, ISBN 978-3-9818846-2-3.
Bastian Muhr: Zickzack, Ausstellungskatalog Museum Wiesbaden. Kerber Verlag Bielefeld/Berlin 2016, ISBN 978-3-7356-0302-9.
Bastian Muhr: Und / And, Ausstellungskatalog Galerie b2, Leipzig. MMKoehn Verlag Berlin/Leipzig 2014, ISBN 978-3-944903-04-0.
Klassentreffen, Meisterschüler von Annette Schröter an der HGB Leipzig, Ausstellungskatalog Kunsthalle Sparkasse. Stadt- und Kreissparkasse, Leipzig 2016, ISBN 978-3-9815840-7-3.
Lieber Künstler, zeichne mir! Abstraktion, Konkretion, Notation und Struktur, Ausstellungskatalog Semjon Contemporary, Galerie für zeitgenössische Kunst. H. N. Semjon, Berlin 2014, ISBN 978-3-00-045288-8.
saxonia paper II. Zeichnungen in Sachsen. Arbeiten auf und mit Papier, Ausstellungskatalog Kunsthalle Sparkasse. Stadt- und Kreissparkasse, Leipzig 2014, ISBN 978-3-9815840-2-8.
↑Dieter Daniels: Das System als Motiv. Zu den Zeichnungen von Bastian Muhr, in: Galerie b2 (Hrsg.): Und / And, Ausstellungskatalog, Berlin/Leipzig 2014, S. 33ff.