Gert Wunderlich (Typograf)



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Gert Wunderlich (* 18. November 1933inLeipzig; † 15. August 2023[1][2]) war ein deutscher Buchgestalter, Schrift-, Plakatentwerfer und Typograf. Er war einer der bedeutenden Grafik-Designer des deutschsprachigen Raumes. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen.

Leben und Werk

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Gert Wunderlich erlernte in den Deutschen Grafischen Werkstätten Leipzig den Beruf des Schriftsetzers und absolvierte von 1953 bis 1958 ein Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig (HGB) bei Irmgard Horlbeck-Kappler, Wolfgang Mattheuer und Elisabeth Altmann im Grundstudium sowie bei Albert Kapr, Oskar Zech und Otto Erler im Fachstudium. Er schloss das Studium mit dem Diplom ab.

Grabstätte Gert Wunderlich

Von 1958 bis 1960 arbeitete er als Buchgestalter in der Druckerei Fortschritt Erfurt. Die Mitgliedschaft im Verband Bildender Künstler der DDR (VBKD) folgte 1959. 1964 wurde er Sekretär der Internationalen Buchkunst-Ausstellung (IBA) Leipzig 1965. Das von ihm entworfene Ausstellungsplakat mit dem einprägsamen Zeichen machte ihn international bekannt. 1966 bekam er eine Aspirantur an der HGB bei Kapr, wurde 1967 Assistent und 1968 Oberassistent. 1971 erfolgte die Berufung zum Dozenten an die HGB. Im selben Jahr nahm ihn der Bund Deutscher Buchkünstler, Offenbach/Main als Mitglied auf.

Zum Professor mit künstlerischer Lehrtätigkeit wurde Wunderlich 1979 berufen, und fortan leitete er bis 1994 die Abteilung Buchgestaltung/Gebrauchsgrafik. 1982 wurde er Vorsitzender des ICOGRADA-Komitees der DDR. 1988 lehrte Wunderlich als Gastdozent an der Academy of Art & Design Beijing (Volksrepublik China). 1991 bis 1999 oblag ihm die Ausbildung von Meisterschülern. 1992 erfolgte die Berufung zum Professor »Neuen Rechts« an die HGB. Bis 1999 war er zudem Leiter der Fachklasse für Typografie/Buchgestaltung/Plakat an der HGB.

Nach der Emeritierung in Leipzig 1999 übernahm Wunderlich erneut eine Gastdozentur an der Academy of Art & Design Beijing, die Vorträge an der Xiamen-Universität und an der Kunsthochschule in Suzhou einschloss. Als anerkannter Grafiker und Typograf war er häufig als Juror bei nationalen und internationalen Buch-, Plakat- und Grafik-Design-Wettbewerben gefragt. Ab 1986 leitete er in der Nachfolge von Kapr die Jury des Wettbewerbs Schönste Bücher der DDR. Er gehörte auch zur Jury von  »Schönste Bücher aus aller Welt«, der IBA, der Plakat-Biennale in Warschau, der Biennale des Graphic-Design Brno, des Plakatwettbewerbs »Auschwitz warnt«, der Biennale des Plakates in Lahti oder des Wettbewerbs um die »Besten Plakate des Jahres«. Dem Kuratorium zur Verleihung des Gutenberg-Preises der Städte Leipzig und Mainz gehörte er von 1992 bis 2011 an.

Wunderlich zählt zu jenen Typografen, die nach dem Zweiten Weltkrieg eine klassische Ausbildung an der HGB Leipzig erhielten. Bereits in den fünfziger Jahren sind Einflüsse des Expressionismus und des Bauhauses zu erkennen, die zu einer zeitgemäßen Auffassung führten, ohne vertraute Traditionen zu verlassen oder gänzlich mit ihnen zu brechen. Wunderlich ist Vertreter der »Leipziger Schule« auf dem Gebiet der Typografie, deren Auffassung darin bestand, neben Bewährtem Neues zu begründen. Sein Credo lautete: Die typografische Form sollte dem Inhalt adäquat sein, jedoch sind Formen zu wählen, die Texte nachhaltig erlebbar machen, ohne die Lesbarkeit zu vernachlässigen. Der Leser als Adressat hat ein elementares Recht auf ein typografisches Ordnungsprinzip, das ihm ein Erfassen von Texten erleichtert.

Gert Wunderlichs Grabstätte befindet sich auf dem Leipziger Südfriedhof, II. Abteilung.

Schriftentwurf

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Bereits 1958 entwarf Wunderlich die »Antiqua 58«, die als Probegrad vom VEB Typoart Dresden gefertigt wurde. Ab 1957 entstanden weitere Akzidenzschriftentwürfe, u. a. die »Egeria-Grotesk« (1962), die als Vorstufe für die Maxima gilt. 1963/64 wurde der Entwurf der linearen Antiqua Maxima[3] manuell gezeichnet und zunächst für den Bleisatz produziert. Sie gehörte in den 1980er Jahren zu den meistgenutzten Groteskschriften in der DDR und war als große Schriftfamilie unter den Kriterien Lesbarkeit, Formschönheit und Ausdruckskraft konzipiert. Zum Sortiment gehören auch kyrillische und griechische Schriftzeichen mit entsprechenden Sonderzeichen und Akzente für mehr als 20 Sprachen. Außerdem enthält die Maxima generell erstmals Mediävalziffern und Kapitälchen.[4] Die Schrift fand Anwendung in allen Buchgenres, in Telefonbüchern und im Bereich des Grafik-Design, u. a. im Nahverkehr in Berlin (U-Bahn, S-Bahn, Straßenbahn).

Wenige Jahre nach der Privatisierung des VEB Typoart Dresden wurde Mitte der 1990er Jahre die Tätigkeit eingestellt. Erst 2006 widmete sich die Hamburger Firma Elsner + Flake einer Überarbeitung (Redesign) im OpenType-Pro-Format. Die Schrift erhielt den Namen »Maxima Now« und ist vorerst in 25 lateinischen Schnitten verfügbar – mit Mediävalziffern und Kapitälchen in 6 Versionen. Sie ist mit Sonderzeichen und Akzenten für 79 Sprachräume einsetzbar.

Buchgestaltung

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Mit dem abgeschlossenen Hochschulstudium trat Gert Wunderlich als Buchgestalter in Erscheinung. Erste Schritte unternahm er in der Druckerei Fortschritt Erfurt mit der Gestaltung von Bild-Textbänden über die Gedenkstätten der NS-Konzentrationslager Buchenwald, Sachsenhausen und Ravensbrück sowie Kunst- und Bildbänden. »Er hat das (Buch) immer als einen einheitlichen, in sich stimmigen Gesamtorganismus begriffen. Ausgehend von einem achtungsvollen Verhältnis gegenüber Literatur beziehungsweise gegenüber dem spezifischen Inhalt des jeweiligen Buches, setzt er die einzelnen Elemente in ein spannungsreiches, aber stets ausgewogenes Verhältnis zueinander. Vielleicht repräsentiert er, neben seinen beiden älteren Mitstreitern Albert Kapr und Walter Schiller, eine letzte große geschlossene Leistung der Buchkunsttradition, die sich in Leipzig erneut seit Mitte der fünfziger Jahre herausbildete und in der Abgeschlossenheit der DDR reifte, auch bei großen materiellen Schwierigkeiten und tangiert von kulturpolitischen Auseinandersetzungen.«[5]

Die bedeutenden Traditionen der Buchgestaltung der Vergangenheit, die avantgardistischen Leistungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und die spannungsvollen Entwürfe seiner Lehrer und Kollegen an der HGB regten sein buchkünstlerisches Schaffen an. Nicht nur separate Einband- oder Buchumschlaggestaltungen, sondern die ganzheitliche Buchgestaltung als schöpferische Aufgabe war das eigentliche Anliegen, gekennzeichnet von eigenwilligen Interpretationen des vorgegebenen Stoffes. Verlage wie der Kongreß Verlag Berlin, Verlag der Kunst Dresden, E.A. Seemann Leipzig, F.A. Brockhaus Leipzig, Deutscher Verlag für Musik Leipzig, Domowina-Verlag Bautzen, Edition Leipzig, Reclam-Verlag Leipzig gehörten bis 1990 zu den wichtigsten Auftraggebern für aufwändig gestaltete Bild- und Textbände.

Bedeutsam für Wunderlich war die Zusammenarbeit mit Illustratoren und Grafikern mit dem Ziel, Texte und Grafik unterschiedlichster Inhalte und grafischer Techniken im bibliophilen Buch zu vereinen. Das gelang mit außergewöhnlichen Formaten, wertvollen Papieren und Kombinationen derselben unter Berücksichtigung spezieller Handschriften der Künstler Karl-Georg Hirsch, Baldwin Zettl, Jiří Šalamoun, Willi Sitte, Eckhard Froeschlin, Josef Hegenbarth, Hans Fronius, Winfried Wolk, Hans Ticha, Egbert Herfurth, Rolf Münzner, Achim Freyer, Inge Jastram, Wolfgang Henne, Johannes Vennekamp, Volker Pfüller, Hartwig Ebersbach, Rolf Kuhrt, Hans Meid u. a. Verlage wie Faber & Faber Leipzig, Büchergilde Gutenberg Frankfurt/Main, Edition Curt Visel Memmingen, Herausgeber und Pressen wie die burgart-presse Jens Henkel Rudolstadt und der Leipziger Bibliophilen-Abend sehen in Gert Wunderlich einen herausragenden und einfühlsamen Gestalter für komplizierte Textstrukturen, auch für differenziert zu behandelnde Grafik und deren Zusammenspiel im Buch. Einen breiten Raum nehmen Künstlermonografien ein, für die Gert Wunderlich eine adäquate Präsentation schuf. Die bibliophilen Ausgaben mit oft vom originalen Druckstock vervielfältigten Illustrationen renommierter Grafiker sind besonders hervorzuheben.

Plakat

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Ein unverzichtbares Betätigungsfeld sieht Gert Wunderlich im Plakat. Hier ist das Spektrum der Themen ebenso vielseitig wie sein typografischer Einfallsreichtum. Der Umgang mit Schrift als Plakattitel oder Begleitinformation ist geprägt vom sicheren Umgang mit den Typen selbst, der Kenntnis ihrer Entstehung und der Eigenart ihrer Charaktere. »Gleichermaßen lakonisch setzt Gert Wunderlich die kyrillischen Zeichen im Plakat ‚Grafik-Design‘ einer Ausstellung seines Fachbereichs in Moskau. Rote Schnipsel auf Knallgelb konterkarieren die schwarzen Jirij-Ju-Ja’s des Kyrillischen und sind doch zugleich selbst Rhythmus im Sinne von Schrift. Kein Wunder, dass die Neue Sammlung in München das Plakat gleich nach der Wende eingesammelt hat.«[6]

Das zu behandelnde Thema ist die Vorgabe für die Wahl der Typen, die virtuos auf der Plakatfläche zu einem harmonischen Ganzen gefügt werden – seien es Antiqua, Fraktur oder serifenlose Typen. »Es gibt eine ganze Serie von beispielhaften Plakaten zu Galerie-Ausstellungen in der HGB, die Gert Wunderlich über viele Jahre gestaltet hat. Hier zeigt er feines Einfühlungsvermögen, um für den jeweiligen Künstler eine adäquate gestalterische Lösung zu finden, sowie äußerste Sensibilität bei der Schrift-Bild-Kombination.«[7] Neben zahlreichen Auftragsarbeiten zu Theater, Ausstellungen, Jubiläen und Veranstaltungen nehmen seit den 1970er Jahren gesellschaftlich relevante Themen immer mehr Raum ein. Mit der von ihm gegründeten Edition »affiche directe« reagiert Gert Wunderlich auf gesellschaftliche Prozesse, soziale Ungerechtigkeiten, politische Ereignisse über den nationalen Rahmen hinaus. Das Plakatschaffen erweist sich von jeher als anregender Faktor für die Arbeit auf dem Sektor der Buchgestaltung. Wunderlich erhielt seit 1957 mehr als 100 Auszeichnungen für »Schönste Bücher der DDR« und »Schönste Buchumschläge« und seit 1966 mehr als 30 »Beste Plakate«. Er entwickelte zahlreiche Signete und CI: IBA 1959 und 1971, Schönste Bücher aus aller Welt, Leipziger Theater, Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy« Leipzig, HGB Leipzig 1988 und 1991.

Gert Wunderlich war mit der Gebrauchsgrafikerin Sonja Wunderlich[8] (* 1935) verheiratet, mit der er gemeinsam Werke gestaltete.

Werke (Auswahl)

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Schriftgestaltung

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Elektronische Schriftherstellung durch Typoart Dresden:

Anmerkung: Die gesamte Maxima-Schriftfamilie, incl. Kyrillisch und Griechisch, des schriftherstellenden Betriebes Typoart Dresden/Leipzig wird seit 2012 unter der Bezeichnung »Avus pro« (My Fonts) angeboten. Neben dem Namen des Designers, also Urhebers Gert Wunderlich ist fälschlicherweise eine weitere Person als »Designer« genannt, die mit diesem Schriftentwurf in der etwa 25-jährigen Entwicklungszeit nichts gemein hat. Von einem »Redesign« der »Typoart-Maxima« durch Dritte ist keinesfalls auszugehen.

Buchgestaltung

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Bibliophile Bücher (Auswahl)

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Plakate (Auswahl)

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Ausstellungen

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Personalausstellungen (Auswahl)

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Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl)

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Weitere Ausstellungsbeteiligungen in: Altenburg, Berlin, Braunschweig, Budapest, Camaiore, Chemnitz, Damaskus, Emden, Erfurt, Essen, Frankfurt/Main, Genua, Hannover, Havanna, Heilbronn, Hong Kong, Kiew, Listowel, Mainz, München, Osaka, Osnabrück, Plovdiv, Prag, Seoul, Taipei, Toyama.

Auszeichnungen

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Arbeiten in Sammlungen

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Literatur

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Gert Wunderlich – eigene Texte (Auswahl)

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Einzelnachweise

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  1. Leipziger Bibliophilen-Abend. Pirckheimer-Gesellschaft, 24. August 2023, abgerufen am 25. August 2023.
  2. Traueranzeigen von Gert Wunderlich. In: trauer-anzeigen.de. 26. August 2023, abgerufen am 17. November 2023 (deutsch).
  3. Ausführliche Darstellung in Text und Bild in: Stiftung Plakat OST (Hrsg.): Sonja & Gert Wunderlich – Graphik-Design-Splitter. Leipzig, 2013, S. I–XXIV.
  4. Die Firma Drescher (Pulsnitz) produzierte die Schrift in Holz und der Grafische Spezialbetrieb (Saalfeld) stellte Abreibefolien für lateinische und kyrillische Texte her.
  5. Anneliese Hübscher: Engagement und Vielseitigkeit. Zit. nach: Von zart bis extra fett. Typo-Grafik von Gert Wunderlich 1957–1998. Leipzig 1998, S. 7.
  6. Uwe Loesch: Datumsgrenzen. Zit. nach: Von zart bis extra fett. Typo-Grafik von Gert Wunderlich 1957–1998. Leipzig, 1998, S. 25.
  7. Rolf F. Müller: Mit der Überzeugungskraft der Schrift. Zit. nach: Von zart bis extra fett. Typo-Grafik von Gert Wunderlich 1957–1998. Leipzig, 1998, S. 26.
  8. Verband der Grafik-Designer der DDR und Niedersächsisches Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten: P40. Plakate aus der DDR, Berlin 1990, S. 88, 205, ISBN 978-3-8758-5184-7.
Personendaten
NAME Wunderlich, Gert
KURZBESCHREIBUNG deutscher Schriftgestalter und Typograf
GEBURTSDATUM 18. November 1933
GEBURTSORT Leipzig
STERBEDATUM 15. August 2023

Abgerufen von https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gert_Wunderlich_(Typograf)&oldid=246305154

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