Einteilung des (objektiven) Rechts Anm.: Das Strafrecht wird zwar, wie auch in dieser Grafik, zumeist als eigenständiges Rechtsgebiet dargestellt beziehungsweise behandelt, zählt jedoch trotzdem formal zum öffentlichen Recht.Einteilung des Privatrechts
Das Privatrecht regelt die Rechtsbeziehungen zwischen einzelnen Rechtssubjekten und steht in Abgrenzung zum öffentlichen Recht, das der Staatserhaltung dient. Es bestimmt die Beziehungen natürlicher und juristischer Personen untereinander und zueinander und darüber hinaus deren Beziehungen zu Sachen sowie die Beziehungen der Sachen zueinander. Seine seit der Römischen Republik nachweisbaren kulturanthropologischen Grundlagen lassen sich charakteristisch an Grundbegriffen wie etwa Person, Besitz und Vertrag verdeutlichen. Diese Grundbegriffe erlauben es, das natürliche Verhältnis des Menschen zu sich selbst, zu anderen Menschen und zu Sachen zu erfassen, zu formalisieren und zu strukturieren. So wird durch die Formen des Rechts der natürliche Mensch zum Bürger, der Besitz zum Eigentum und die Übereinkunft zum Verpflichtungsgeschäft.[1]
In der Rechtswissenschaft bildet das Privatrecht das Komplement zum öffentlichen Recht, wobei letzteres auch das Strafrecht umfasst (vgl. Abgrenzung des öffentlichen Rechts zum Privatrecht). Der privatrechtliche Grundsatz der Privatautonomie postuliert die Willensfreiheit des Einzelnen als Voraussetzung dafür, mit anderen in Rechtsbeziehungen treten oder aber darauf verzichten zu können. Eingeschränkt werden kann die Verwirklichung des freien Willens durch Monopole oder die Finanzmacht Einzelner. Die staatliche Gewalt hingegen nimmt grundsätzlich keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der Privatautonomie.
Recht, Rechtsordnung und Rechtsbefugnisse waren Bestandteile des römischen Rechts, ohne dass zwischen einem privaten Recht (ius privatum) und einem öffentlichen Recht (ius publicum) explizit unterschieden worden wäre. Dazu fehlte es noch an einer Theorie der Fassung von Allgemeinbegriffen des Rechts. Eine Theorie, die den heute bekannten Abstraktionsgrad erreicht hätte, entwickelte sich über die Anfangszeit hinaus auch nicht in den Blütezeiten der vorklassischen und nachfolgend der klassischen Zeit Roms, auch nicht in der Spät- und Endphase des Römischen Reichs der Spätantike. Vielmehr wurde aus den Traditionen des frühen Rechts heraus ein mehrschichtiges Privatrecht entwickelt. Auch dieses unterlag Entwicklungsstufen, beginnend mit dem patrizisch geprägten ius civile, das aus den archaischen Rechtsgewohnheiten erblühte. Das Honorarrecht trug bereits den zunehmend komplizierten Verkehrsbedürfnissen Rechnung und das Völkergewohnheitsrecht bezog die Bevölkerung nach den Landnahmen ein. Im Zuge der Modernisierungen wurde das ius civile prägnant. In den juristischen Schriften dieser Zeit begegnen die Begriffe mos maiorum, ius, iustitia[5] oder iuris prudentia. Kraft dahingehender Auseinandersetzung, gewannen griechische Ansichten und Betrachtungen zur Erklärung der Weltenzusammenhänge – insbesondere die der Stoa – großen Einfluss auf den philosophischen Überbau des römischen Rechts. Das Rechtsgefühl unterstrichen Koinzidenzen von Rechtseinklang (iustum), Gesetzestreue (legitimum) und Gerechtigkeit (aequitas).[6]
Die Rechtsmaterien wurden im Laufe der Epochen des römischen Rechts und seiner Rezeptionsgeschichte (Rechtsgeschichte) unterschiedlich gefasst. Das nachfolgend behandelte Institutionensystem gehorchte dem Schema der Unterscheidung zwischen Personen- und Familienrecht (personae), Vermögensrecht (res) und Prozessrecht (actiones).
Die Gliederung nach dem Pandektensystem, begrifflich hergeleitet aus den römischrechtlichenPandekten (auch Digesten), unterteilt das Zivilrecht in fünf (beziehungsweise sechs, mit eigenständigem Personenrecht) Bereiche: in einen allgemeinen Teil (der in der Regel das Personenrecht umfasst), das Schuldrecht, das Sachenrecht, das Erbrecht und das Familienrecht. Diesem pandektistischen Schema folgen das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und das schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB).
Die Gliederung des Zivilrechtes nach dem Institutionensystem, das nach dem Hauptwerk des klassischen römischen Juristen Gaius benannt ist, folgt der Einteilung nach den kategorialen Begriffen „Personen“ und „Sachen“ sowie deren Strukturen und mutuellen Relationen (zwischen verschiedenen Personen, zwischen verschiedenen Sachen und zwischen Personen und Sachen). Die Formen des Rechts ermöglichen, dass der Mensch zusätzlich zum Bürger, Besitz zu Eigentum und eine Übereinkunft zum Vertrag wird. Daher wird Rechtsschutz geboten. In der Zeit der ersten großen Kodifikationswelle des frühen 19. Jahrhunderts, wurde diese Einteilung in den französischen Code civil und in das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) aufgenommen.[7]
Die Einteilung gliedert sich grundsätzlich folgendermaßen:
actiones: (wörtlich) Klagen; gemeint sind indes zumeist Ansprüche und Anspruchsgrundlagen,[8] aber auch Klagformeln im Rahmen des Legisaktionenverfahrens.
Das österreichische ABGB folgt diesem Schema, jedoch ohne das Prozessrecht einzubeziehen:
Einleitung: Auslegung und Geltung des ABGB
Personenrecht: Rechte aufgrund persönlicher Eigenschaften und familiärer Verhältnisse
Sachenrecht: Rechte einer Person in Bezug auf eine Sache (Rechtsobjekt)
Persönliches Sachenrecht: Rechte einer Person in Bezug auf eine Sache, die nur gegenüber einer bestimmten Person gelten (Schuldrecht)
Gemeinsame Bestimmungen der Personen- und Sachenrechte: Befestigung (z. B. Bürgschaft), Umänderung (z. B. Zession) und Aufhebung (z. B. Zahlung, Aufrechnung, Entsagung) von Personen- und Sachenrechten
Für all diese Rechtsgebiete gilt, dass die Normen des allgemeinen Privatrechts subsidiär gelten, sodass z. B. Handelsgeschäfte grundsätzlich dem allgemeinen Privatrecht unterliegen, welches jedoch modifiziert und erweitert ist durch die Normen des Handelsrechts.
Dieses subsidiäre Verhältnis ist im deutschen Recht in Art. 2 Abs. 1EGHGB kodifiziert. In der schweizerischen Rechtstradition dagegen wird ein eigenständiges kaufmännisches Handelsrecht seit jeher abgelehnt und diese Ablehnung mit der demokratischen, einer besonderen Behandlung der Kaufleute entgegenstehenden Gleichheit aller natürlichen Personen begründet. Gleichwohl finden sich im Obligationenrecht vereinzelt Sonderregeln für den kaufmännischen Verkehr (z. B. Art. 190 OR), die sachgerechte Differenzierungen ermöglichen sollen.
Die Normen des Arbeitsrechtes enthalten vielfach (einseitig) zwingende Vorschriften zugunsten des Arbeitnehmers. Auch hier gelten die Normen des allgemeinen Privatrechts subsidiär.
Weitere Sonderprivatrechtsbereiche sind z. B. das Mietrecht, das Verkehrszivilrecht, das Konsumentenschutzrecht oder das Wertpapierrecht, wobei anzumerken ist, dass das Mietrecht, das Verkehrszivilrecht und das Konsumentenschutzrecht oft gemeinsam mit dem Bürgerlichen Recht (Schuldrecht/Vertragsrecht) behandelt werden und das Wertpapierrecht eine enge immanente Beziehung zum Handelsrecht hat.
Auch im Mittelalter besaßen viele Territorien des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation bereits ein kodifiziertes Landrecht, das allerdings neben dem Zivilrecht auch andere Rechtsbereiche (z. B. Straf- und Verfassungsrecht) regelte.
Bei privatrechtlichen Fällen mit Auslandsbezug (z. B. bei der Eheschließung von zwei Personen unterschiedlicher Staatsbürgerschaft, bei einem Schadensfall im Ausland oder bei internationalen Verträgen) bestehen besondere Kollisionsnormen, die bestimmen, welches Privatrecht anzuwenden ist. Dieser Rechtsbereich wird, etwas missverständlich, als Internationales Privatrecht bezeichnet.
Die weltweit singuläre Möglichkeit, privatrechtliche Ansprüche aus jedem Land der Welt vor einem US-Gericht einzuklagen, wird durch den US-amerikanischenAlien Tort Claims Act geregelt.
Martin Gebauer, Thomas Wiedmann (Hrsg.): Zivilrecht unter europäischem Einfluss: Die richtlinienkonforme Auslegung des BGB und anderer Gesetze; Kommentierung der wichtigsten EG-Verordnungen. 2., überarbeitete Auflage. Richard Boorberg Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-415-04479-1.
Thomas Aigner, Peter Apathy, Ferdinand Kerschner, Andreas Riedler, Erika Wagner, Thomas Wolkerstorfer: Zivilrecht I-VIII (Allgemeiner Teil, Schuldrecht Allgemeiner Teil, Schuldrecht Besonderer Teil - Vertragliche Schuldverhältnisse, Schuldrecht Besonderer Teil - Gesetzliche Schuldverhältnisse, Sachenrecht, Familienrecht, Erbrecht, Internationales Privatrecht). 4. Auflage. LexisNexis, Wien 2022, ISBN 978-3-7007-8499-9.
Jan Schapp: Methodenlehre und System des Rechts. Aufsätze 1992–2007. Mohr Siebeck, Tübingen 2009, ISBN 978-3-16-150167-8 (Methodenlehre des Bürgerlichen Rechts).
Jan Schapp und Wolfgang Schur: Einführung in das bürgerliche Recht. 4. Auflage. Vahlen, München 2007, ISBN 978-3-8006-3354-8.
Peter Münch, Margherita Bortolani-Slongo: Praxisorientierte Einführung ins Privatrecht. 6. Auflage. Schulthess, Zürich 2020, ISBN 978-3-7255-8108-5.
Franz Wieacker: Privatrechtsgeschichte der Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Entwicklung. 2. Auflage. Göttingen 1967, DNB458643742 (1996, ISBN 3-525-18108-6).
Hans Schlosser: Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte. Rechtsentwicklungen im europäischen Kontext. 10. Auflage. UTB, Heidelberg 2005, ISBN 3-8252-0882-6.
↑Vgl. dazu näher Okko Behrends, Wolfgang Sellert (Hrsg.): Der Kodifikationsgedanke und das Modell des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). 9. Symposium der Kommission „Die Funktion des Gesetzes in Geschichte und Gegenwart“. In: Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen (Philologisch-Historische Klasse. Dritte Folge Nr. 236). Vandenhoeck & Ruprecht, 2000, ISBN 3-525-82508-8 S. 12–19 (13 f.).
↑Brox, Hans: Allgemeiner Teil des BGB, 26. Auflage, München 2002, S. 12 Rn. 13: „Das Privatrecht oder Zivilrecht ist ein Teil des Rechts, der die Beziehungen zwischen den einzeilnen gleichgeordneten Mitgliedern der Gemeinschaft regelt. Das bürgerliche Recht ist der Teil des Privatrechts, der für jedermann gilt. Früher stellte das bürgerliche Recht das ganze Privatrecht dar; die Begriffe bürgerliches Recht und Privatrecht waren also identisch. Im Laufe der Zeit haben sich immer mehr Sonderrechtsgebiete herausgebildet. Demnach ist das bürgerliche Recht heute das allgemeine Privatrecht gegenüber dem besonderen Privatrecht, das nur für bestimmte Teilgebiete des Privatrechts gilt.“
↑Münchener Kommentar zum BGB Band I, 4. Auflage München 2001, Einleitung, Rn. 1: „Das bürgerliche Recht ist das Kerngebiet des Privatrechts (= Zivilrechts).“
↑Lexexakt.de Rechtslexikon-Eintrag: Zivilrecht, Stand 15. April 2019, online (zuletzt abgerufen am 26. Februar 2023 um 19:45 Uhr): „Mit Zivilrecht (= Privatrecht) wird der Zweig des Rechts bezeichnet, der sich mit den Rechtsbeziehungen zwischen den gleichgeordneten Privatpersonen (= Rechtsubjekten des Privatrechts) beschäftigt. Mit anderen Worten, das Zivilrecht ist das Rechtsgebiet, das die rechtlichen Beziehungen der Menschen untereinander regelt. Es enthält z. B. Bestimmungen über den Abschluss von Verträgen oder die Folgen von Vertragsbrüchen. Das Zivilrecht ist zum großen Teil im BGB geregelt, das aber durch Spezialgesetze (z.B. AktG, HGB, KSchG) ergänzt wird.
Das bürgerliche Recht ist der Teil des Zivilrechts, der für alle Bürger für die Rechtsbeziehungen des täglichen Lebens gilt. Hierzu zählt z. B. nicht das Handelsrecht, das nur für Kaufleute gilt.“
↑Vgl. dazu näher Okko Behrends, Wolfgang Sellert (Hrsg.): Der Kodifikationsgedanke und das Modell des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). 9. Symposium der Kommission „Die Funktion des Gesetzes in Geschichte und Gegenwart“. In: Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen.(Philologisch-Historische Klasse. Dritte Folge Nr. 236). Vandenhoeck & Ruprecht 2000. ISBN 3-525-82508-8, S. 9–12 und 12–19.
↑Volker Mayer: Wirtschaftsrecht Band 1, Rechtsgeschäftslehre, Schuldverhältnisse, Handelsgeschäfte. 1. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-17-030513-7, S.11 (Fn. 1 zu Rdnr. 10) und passim.
↑Volker Mayer: Wirtschaftsrecht Band 1, Rechtsgeschäftslehre, Schuldverhältnisse, Handelsgeschäfte. 1. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-17-030513-7, S.123ff.